Das Lied in allen Dingen - Interpretationen Eichendorff
 

In meinem Gästebuch findet sich immer wieder mal die Bitte um Hilfe bei Interpretationen zu Eichendorff-Werken.

Ich weiß ja aus eigener Erfahrung, wie sehr man am Kuli kaut, um sich etwas Vernünftiges abzuringen.

Vielleicht hilft dem einen oder anderen, was auf dieser Seite über Eichendorff-Gedichte zusammengetragen wird.

 
In Danzig
 
Von 1821 - 1824 war Joseph von Eichendorff als preußischer Regierungsrat in Danzig angestellt. Das Gedicht "In Danzig" entstand jedoch nicht während dieser Zeit.
Er schrieb es erst 1842 in Berlin in Erinnerung an seinen Aufenthalt in Danzig.
 
In diesem Gedicht finden sich alle wesentlichen Merkmale der Romantik wieder.
  • Es ist malerisch
    Dunkle Giebel, hohe Fenster,
    Türme tief aus Nebeln sehn,
    bleiche Statuen wie Gespenster
    lautlos an den Türen stehn.
  • Es ist geheimnisvoll märchenhaft
    Träumerisch der Mond drauf scheinet,
    dem die Stadt gar wohl gefällt,
    als läg zauberhaft versteinet
    drunten eine Märchenwelt.
  • Es betont die Stille und Einsamkeit,
    in der alle Dinge erst richtig zur Geltung kommen

    Ringsher durch das tiefe Lauschen,
    über alle Häuser weit,
    nur des Meeres fernes Rauschen - 
    wunderbare Einsamkeit!
  • Es ist gefühlsbetont
    Und der Türmer wie vor Jahren
    singet ein uraltes Lied:
    Wolle Gott den Schiffer wahren,
    der bei Nacht vorüberzieht.
  • dunkel, bleich, lautlos, Nebel   -                    weckt Bilder
  • träumerisch, zauberhaft, Märchenwelt  -      schafft Stimmungen
  • lauschen, rauschen, singen, vorüberziehen  -berührt die die Sinne
 Das Gedicht könnte auch ein Lied sein, denn es folgt einem festen Versmaß. Tatsächlich sind ja viele Gedichte Eichendorffs später vertont worden.

Das volkstümliche Dichten ist ein Merkmal der Romantik. Viele Gedichte sind wie kleine Balladen, die in einfachen Worten beim Leser Stimmungen und Bilder wecken.

 
 *****
 
Der Umkehrende
Das Gedicht ist Teil eines Zyklus unter dem Thema Geistliche Gedichte.

Eichendorff schrieb sie zwischen 1831 und 1836.

Unter der Überschrift der Umkehrende stehen insgesamt 5 Gedichte, von denen wiederum das erste Du sollst mich doch nicht fragen Teil des Prosatextes Eine Meerfahrt ist. Durchdrungen sind alle diese Gedichte von Religiosität, die aus ehrlichem Herzen kommt.

 

 
 Zur Entstehung:
 
 Das 4. Gedicht ist das sicher bedeutsamste. Es entstand unter der Einwirkung eines Schicksalsschlages. 1830 wurde Eichendorff eine Tochter geboren - Anna Hedwig Josephine - die bereits 1832 im zweiten Lebensjahr starb. Ihren frühen Tod hat Eichendorff nur schwer verwunden.

Es wandelt, was wir schauen,
Tag sinkt ins Abendrot,
Die Lust hat eignes Grauen,
Und alles hat den Tod.

Ins Leben schleicht das Leiden
Sich heimlich wie ein Dieb,
Wir alle müssen scheiden
Von allem, was uns lieb.

Was gab es doch auf Erden,
Wer hielt' den Jammer aus,
Wer möcht' geboren werden,
Hieltst Du nicht droben Haus!

Du bist's, der, was wir bauen,
Mild über uns zerbricht,
Dass wir den Himmel schauen,
Darum so klag ich nicht.

 
Analyse und Interpretation:
 
  • Das Grundmotiv des Gedichtes ist Trauer
    Alles wandelt sich;
    nichts von dem, was uns begegnet, hat Bestand,
    Tag wird Abend,
    Lust wird Grauen,
    Leben wird Tod,

  • Jede Trauer geht einher mit Verlust
    Leid löscht die Freude aus;
    niemand kann für immer festhalten, was ihm lieb und wert ist

  • Trauer und Verlust führen unweigerlich zu Existenzfragen
    Warum in dieses Leben geboren werden?
    Weshalb sich solchem Jammer aussetzen?

  • Dem nüchtern fragenden Verstand antwortet das Herz
    Es gibt einen, der über allem steht;
    einen, der den vollkommenen Überblick hat;
    der menschliches Handeln und Denken anders bewertet

  • Aus dieser Überlegung erwachsen Trost und Vertrauen
    Jedes Menschenschicksal ist eingebunden in das große Ganze;
    die eigene Endlichkeit mündet in die Unendlichkeit;
    in ihr sind Trauer, Verlust und Verzweiflung aufgehoben;
    in ihr wird wiedergegeben, was verloren ging
*****
Der Giebichenstein
 
 
Es ist bei der Interpretation zu berücksichtigen, dass Eichendorff dieses Gedicht nicht als hallescher Student sondern als alternder Mann (52) anlässlich eines kurzen Aufenthaltes (1840) in Halle/Saale schrieb.
Zudem wird das Gedicht meist auf die beiden ersten Strophen reduziert und als vordergründig lyrische Betrachtung der Gegend abgehandelt.
Bei Betrachtung des gesamten Textes zeigt sich, dass es sich um eine viel tiefer gehende Aussage
des Dichters handelt, in gewisser Weise um eine Lebens-Quintessenz.
 

 

Da steht eine Burg überm Tale
Und schaut in den Strom hinein,
Das ist die fröhliche Saale,
Das ist der Giebichenstein.

 

sachliche Standortbeschreibung

Da hab ich so oft gestanden,
Es blühten Täler und Höhn,
Und seitdem in allen Landen
Sah ich nimmer die Welt so schön!

 

Das lyrische Ich vermittelt idealisierte Sicht auf die Landschaft

Durchs Grün da Gesänge schallten,
Von Rossen, zu Lust und Streit,
Schauten viel schlanke Gestalten,
Gleichwie in der Ritterzeit.

 

Wiedergabe des Geschehens unter typisch
romantischen Aspekten:
Grün - Leichtigkeit
Gesänge - Ausdruck der Lebens-Harmonie
Ross und Reiter - Synonym für Freiheit, Abenteuer
Wir waren die fahrenden Ritter,
Eine Burg war noch jedes Haus,
Es schaute durchs Blumengitter
Manch schönes Fräulein heraus.
Deutung des Geschehens durch das lyrisches Ich:
wir waren die Ritter   - Rollenspiel
jedes Haus eine Burg - Wert-Überhöhung
Blumengitter - ästhetische (stilvolle)Verborgenheit
schönes Fräulein - romantische Verkörperung der Liebe,
vergleichbar der ritterlichen Minne
Das Fräulein ist alt geworden,
Und unter Philistern umher
Zerstreut ist der Ritterorden,
Kennt keiner den andern mehr.
Das lyrische ich tritt aus der Identifikation mit dem
romantischen Geschehen heraus in die Rolle des
sachlichen Betrachters:
altes Fräulein - Vergänglichkeit, auch die der Liebe
Philister - Spießbürgerlichkeit, Alltäglichkeit,
zerstreuter Ritterorden - Verlust der romantischen
Ideale keiner kennt den anderen -
keiner hat dem anderen etwas zu sagen
(es geht nicht um räumliche Trennung)
Auf dem verfallenen Schlosse,
Wie der Burggeist, halb im Traum,
Steh ich jetzt ohne Genossen
Und kenne die Gegend kaum.
Rückkehr des lyrischen Ichs aus der Rolle des
sachlichen Betrachters,
Einnahme eines analysierenden Standpunktes:
verfallenes Schloss - nüchterne Betrachtung und Wahrnehmung
der Dinge
Burggeist -Verblassen der Erinnerungen
ohne Genossen - Gefühl der persönlichen
Einsamkeit fremde Gegend -Veränderung aller Dinge,
bitterer Gegensatz zu den beiden ersten
Strophen des Gedichtes
Und Lieder und Lust und Schmerzen,
Wie liegen sie nun so weit –
O Jugend, wie tut im Herzen
Mir deine Schönheit so leid.                      
Aus idealisierter Erinnerung, sachlicher Wertung der Entwicklung
und Analyse bestehender Gefühle kommt das
lyrische Ich zu der Erkenntnis:
- nichts im Leben ist von ewigem Bestand,
- nichts in der Welt bleibt unverändert,
Das alternde lyrische Ich trauert um die Schönheit
der zurückliegenden Jugend –
und das ist ebenfalls
ein typisch romantischer Aspekt.
 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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